NZZ: Terrorprozess gegen Albaner umstritten

Ein Artikel aus der Feder von Andreas Ernst, der Terroristen als "leichtbewaffnete Gruppe" bezeichnet. Ebenso vertritt Ernst die allgemeine albanische Meinung der Vorfall sei durch Gruiesvki inszeniert worden, ohne dabei Beweise oder sonstiges Vorzulegen. Link zum Artikel HIER.



Umstrittener mazedonischer Terrorprozess gegen ethnische Albaner


Eine Gruppe Albaner ist in Skopje zu langen Strafen verurteilt worden. Sie hatten sich blutige Kämpfe mit der Polizei geliefert. Es besteht der Verdacht, der Zwischenfall sei inszeniert worden.


Die hohen Gefängnisstrafen für kosovarische Mitglieder der «Kumanovo-Bande» in Mazedonien sorgen für Irritationen in Kosovo. Das Aussenministerium in Pristina rief zum Wochenende den Botschafter aus Skopje zurück. Das mazedonische Gericht hatte die 38-köpfige Gruppe ehemaliger UCK-Kämpfer wegen «terroristischer Umtriebe» zu insgesamt 746 Jahren Gefängnis verurteilt. Vier Angeklagte wurden freigesprochen. Etwa die Hälfte der Verurteilten stammt aus Kosovo, die andern sind ethnische Albaner aus Mazedonien. In Pristina, Peja und Gjilan protestierten Sympathisanten gegen die mazedonische Justiz. Dabei wurden mazedonische Flaggen verbrannt. Die kosovarische Regierung fordert eine internationale Untersuchung der Vorfälle in der nordmazedonischen Stadt Kumanovo, bei der im Mai 2015 18 Personen ums Leben kamen, acht davon waren Polizisten.

Mysteriöse Hintergründe


Die Hintergründe der Ereignisse auch nach der Urteilsverkündigung weitgehend im Dunkeln. Fest steht, dass sich eine Gruppe von etwa 50 Albanern mit Sturmgewehren und leichten Maschinengewehren bewaffnet Anfang Mai 2015 in einer Siedlung in Kumanovo einnistete. Den mazedonischen Sicherheitskräften entging angeblich die Infiltration, nicht aber den Anwohnern, auch wenn viele danach behaupteten nichts gesehen und gehört zu haben. Zwei Wochen zuvor hatte dieselbe Bande im Grenzgebiet zu Kosovo eine mazedonische Polizeistation überfallen und Waffen erbeutet, ohne dass die Beamten Widerstand geleistet hätten. Am 9. Mai rückte ein Sonderkommando der mazedonischen Polizei mit Schützenpanzern in Kumanovo an. Ein heftiger zweitägiger Häuserkampf brach aus. Am nächsten Tag waren 18 Personen tot, 39 Bandenmitglieder festgenommen und über ein Dutzend Häuser unbewohnbar geschossen. Während des Prozesses sagten einige Angeklagte aus, sie hätten «gegen die Unterdrückung der Albaner in Mazedonien» gekämpft. Andere behaupten, von Funktionären des mazedonischen Geheimdiensts angestiftet und hereingelegt worden zu sein.


Riskantes Ablenkungsmanöver?


Der Verdacht, dass es sich bei den Zusammenstössen um eine Inszenierung handelte, die aus dem Ruder lief, wurde schon am Tag danach geäussert. Eine mazedonische Zeitschrift behauptete, staatliche Stellen hätten zusammen mit einem französischen «spin doctor» einen «Zwischenfall» geplant. Die damalige Regierung Gruevski befand sich unter Druck, nachdem eine Abhöraffäre schamlosen Klientelismus und Korruption in Verwaltung und Justiz blossgelegt hatte. Die Kämpfe mit den Albanern, so die Vermutung, hätten dazu dienen sollen, Panik auszulösen, um dann mit eiserner Hand Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Kumanovo ist eine ethnisch gemischte Stadt. Falls das Kalkül tatsächlich existierte, war es extrem riskant. Allein, die Rechnung ging nicht auf. In Kumanovo fanden nach dem ersten Schock demonstrative Verbrüderungen zwischen Mazedoniern und Albanern statt. Denn allen Einwohnern war sofort klar, dass ein solcher Gewaltausbruch nichts mit ihnen und ihrem Alltag zu tun haben konnte.

Seit vergangenem Mai ist die Regierung Gruevski weg von der Macht. Jener Teil der Justiz, der integer geblieben ist, steht vor einem Berg von Ermittlungen und Prozessen, dem eigentlichen Erbe der zehnjährigen Herrschaft Gruevskis. Zoran Zaev, der neue Regierungschef, will jetzt prüfen, ob der Kumanovo-Prozess neu aufgerollt und mit einer internationalen Untersuchung verbunden werden kann Allerdings müssten dafür erst rechtliche Grundlagen geschaffen werden.