Gligorovski erklärt: Chemischer Cocktail in den eigenen vier Wänden


"Ein chemischer Cocktail in Innenräumen" - so ist der Artikel im Wissenschaftsmagazin "Science" überschrieben. Das klingt beunruhigend. Aber das wollen die Autoren auch erklärtermaßen mit ihrem Text: aufrütteln! Einer von ihnen ist der gebürtige Mazedonier Sasho Gligorovski. Bis vor kurzem war er Professor für Physikalische Chemie an der Universität Marseille in Frankreich. Neuerdings arbeitet er an einem Forschungsinstitut der Chinesischen Akademie der Wissenschaften.

"Innenräume haben ja nur ein geringes Luftvolumen. Sie sind wie kleine Reaktionskammern. Darin verbringen wir 80 bis 90 Prozent unserer Zeit! Und sind dabei ständig bestimmten Schadstoffen ausgesetzt, die sich in der Raumluft befinden oder an Oberflächen haften."

Damit meint der Physiker Stoffe mit hoher Oxidationskraft, die sehr reaktionsfreudig sind und die Atemwege reizen. Zum Beispiel Salpetrige Säure.

"Langfristig schlecht für unsere Atemwege"

"Salpetrige Säure entsteht, wenn man mit Gas kocht, Kerzen anzündet oder raucht. Genauso wie Stickstoffdioxid, das wir vor allem als Bestandteil von Dieselabgas kennen. Dieses Stickstoffdioxid haftet bevorzugt an Teppichen, Wänden und Decken und ist sehr reaktionsfreudig! An diesen Oberflächen kommt es deshalb zu weiteren Reaktionen, bei denen sekundär noch mehr Salpetrige Säure gebildet wird. Das ist nicht nur kurzfristig schlecht für unsere Atemwege, sondern auch langfristig. Denn Salpetrige Säure kann erbgutverändernd wirken."

Mit Salpetriger Säure in Innenräumen habe man sich zwar schon in den 80er Jahren beschäftigt, sagt Gligorovski. Aber nur ganz kurz. Danach sei der Schadstoff wieder in Vergessenheit geraten. Inzwischen wisse man, dass die Säure auch mit Nikotin und anderen Inhaltsstoffen von Zigarettenrauch reagiere. Und zwar auf bedenkliche Weise.

"Stark krebserregende Stoffe"

"In einem Raum, in dem geraucht wurde, können sich auch so noch nachträglich Nitrosamine bilden! Das sind stark krebserregende Stoffe. Diese Nitrosamine schlagen sich dann an den Wänden nieder. Und von dort werden sie allmählich in die Luft freigesetzt. Und das sogar noch Wochen, nachdem ein Raucher den Raum verlassen hat!"

Nach Schadstoffen in Innenräumen fahnden auch Lebensmittelchemiker der Universität Hohenheim. Im Fett von Dunstabzugshauben stießen sie auf erstaunlich große Mengen von Chlorparaffinen. Das sind langlebige Stoffe, die sich im Körper anreichern und inzwischen zum Teil verboten wurden.

Die Arbeitsgruppe von Walter Vetter vermutet, dass es sich um Flammschutzmittel aus den Gehäusen von Backöfen handelt, aus denen sie entweichen. So landen sie dann auch in den Abzugshauben.

"Wir müssen dann immer von der Dunstabzugshaube, von dem Fett, übertragen: Was könnte beim Menschen ankommen? Und wir sagen: Je mehr wir in diesen Fetten in den Dunstabzugshauben finden, desto mehr nimmt auch der Mensch auf. Wir atmen das Zeug ein. Also, ich denke schon, dass das etwas ist, was eine große Relevanz hat."

Forscher warnen auch vor Reinigungsmitteln

Sasho Gligorovski nennt noch eine weitere Quelle für potenzielle Schadstoffe in den eigenen vier Wänden: Reinigungsmittel. Sie enthielten oft Terpenöle, die leicht weiterreagierten. Es sei denkbar, dass auch dabei schädliche Folgeprodukte entstehen.

In ihrem "Science"-Artikel empfehlen die Forscher jetzt, das alles viel genauer zu untersuchen. Um so abschätzen zu können, wie groß die Gesundheitsgefahr durch Schadstoffe in Innenräumen tatsächlich sei. Tipps zum Verringern des Risikos hat Gligorovski aber schon heute parat: Häufiger 'mal Haus oder Wohnung lüften - und Kochen mit Gas am besten immer bei offenem Fenster!